Drucken

X., welcher sich in finanziellen Schwierigkeiten befand, hat sich bei zahlreichen Geschädigten auf deliktische Weise Darlehen in der Höhe von insgesamt CHF 6'285'227.89 und USD 35'000.00 erhältlich gemacht, indem er ihnen unwahre Tatsachen im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer von ihm angeblich erworbenen Restforderung aus einem (tatsächlich nicht existierenden) Vertrag einer nationalen nigerianischen Ölgesellschaft und einem schottischen Konglomerat vorspiegelte. In diesem Zusammenhang änderte er bei sich zu Hause mehrfach an ihn gerichtete E-Mails von Drittpersonen inhaltlich ab und leitete diese E-Mails zu Beweiszwecken an verschiedene Geschädigte weiter.

X. focht das Urteil der kantonalen Rechtsmittelinstanz wegen gewerbsmässigem Betrug, Veruntreuung, mehrfacher Urkundenfälschung sowie Zechprellerei beim Bundesgericht an und wehrte sich dabei unter anderem gegen Schuldspruch wegen Urkundenfälschung. Er stellte sich auf den Standpunkt, dass E-Mails ohne elektronische Signatur keine Urkunden darstellten, da sie beliebig veränderbar seien und somit sowohl der Beweiswert als auch die Beweiseignung im Sinne von Art. 110 Abs. 4 StGB fehle.

Das Bundesgericht verwarf die Auffassung, wonach nur eine elektronische Signatur die Authentizität des Absenders zu bestätigen vermöge, und zwar im Wesentlichen mit folgender Begründung: Im zu beurteilenden Fall werde dem Beschwerdeführer die Abänderung verschiedener von Drittpersonen verfasster E-Mails vorgeworfen. Dies betreffe die Echtheit der Urkunden (Urkundenfälschung im engeren Sinne), weshalb die Frage, ob die E-Mails darüber hinaus inhaltlich unwahr seien bzw. eine (hierzu notwendige) qualifizierte schriftliche Lüge vorliege (Falschbeurkundung), sich nicht mehr stelle (BGE 131 IV 125 E. 4.3). Beim Empfänger ausgedruckte E-Mails, d.h. wenn die nicht direkt lesbaren Daten (elektronisch gespeicherte Information) sichtbar gemacht würden, stellten zweifelsohne Urkunden im strafrechtlichen Sinne dar, sofern der Aussteller erkennbar sei (BGE 116 IV 343 E. 3).

Doch auch noch nicht ausgedruckten E-Mails komme grundsätzlich der Charakter einer (Computer-)Urkunde zu, weshalb die Verfälschung einer E-Mail ohne weiteres den Tatbestand der Urkundenfälschung erfülle, soweit dieses nach der Manipulation weiter versendet werde und seinen Adressaten erreiche. Der Täter setze damit einen Prozess in Gang, welcher die Speicherung der Datenurkunde zur Folge habe. Die notwendige Erkennbarkeit des Ausstellers könne sich aus der Absenderadresse (Regelfall) oder auch aus dem Inhalt der E-Mail ergeben. Die Beständigkeit und Beweisfunktion der Erklärung lasse sich daraus ableiten, dass die E-Mail dem Empfänger auf seinem E-Mail Account zustellt und gespeichert werde, auf welchen nur mittels Passwort zugegriffen werden könne. Darüber hinaus ergebe sich die Beweiseignung und -bestimmung auch daraus, dass E-Mails heutzutage im regulären Geschäftsverkehr weit verbreitet seien. Das Kriterium der Beweiseignung dürfe nicht mit der Beweiskraft oder der Beweisdienlichkeit gleichgesetzt werden.

(BGE 6B_130/2012 vom 22. Oktober 2012)